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Übung

 

Fallbeispiel Juli 2012
von Christl Oelmann

07-2012

Heike kommt in die Beratung mit der Frage: „Soll ich meine Partnerschaft, in der ich seit Jahren unzufrieden bin, beenden oder nicht?“

Was meinen Sie?

Deutungsvorschlag für
Fallbeispiel Juli 2012
von Christl Oelmann

Abkürzungen:
Konj. = Konjunktion
Opp. = Opposition
Qua. = Quadrat

Frage:

Heike kommt in die Beratung mit der Frage: "Soll ich meine Partnerschaft, in der ich seit Jahren unzufrieden bin, beenden oder nicht?"

Was hätten Sie ihr gesagt?

Analyse:

Heikes Frage ist für alle Nicht-Stundenastrologen ein Falle, denn in der psychologischen Astrologie können wir niemanden eine Entscheidung abnehmen, schon allein aus dem Grund, weil wir die Konsequenzen unseres Rates nicht tragen müssen und auch nicht können. Wir psychologischen Astrologen können nur zur Entscheidungsfindung beitragen, indem wir über die Umstände sprechen, die zu der Frage geführt haben und auf die herrschende Zeitqualität eingehen. Ich benutze am Ende einer solchen Beratung manchmal die Tarot-Legung „Das Entscheidungsspiel“ mit der Frage „Was würde passieren, wenn... bzw. wenn nicht...“. Aber bei Entscheidungen, die für einen langen Zeitraum gefällt werden müssen, nützen doch weder die Karten noch die Stundenastrologie, denn deren Aussagen gehen über einen maximalen Zeitraum von 6 Monaten nicht hinaus- und dann?

Diese Fakten hatte ich schon mit Heike beim telefonischen Erstkontakt angesprochen und ihr angeboten eine Stundenastrologin zu benennen, wenn sie an ihrer Ja-Nein Frage festhalten würde; doch sie hat sich dann für die psychologische Astrologie entschieden.

Auffallend sind in Heikes Horoskop das voll besetzte 7. Haus, Lilith am AC, Chiron in Konj. mit Saturn in Haus 1 und die MK-Achse 2/8.

Beginnen wir mit dem 7. Haus: Heike mit Sonne, Merkur und Venus im 7. Haus ist sehr an Beziehungen jeglicher Art, besonders aber an Partnerschaften interessiert, ja, ich wage zu behaupten, darauf angewiesen. Stehen die Planeten im Zeichen Waage, ist das wie eine Themenwiederholung zu bewerten. Heike braucht die anderen, um sich in ihnen spiegeln zu können, um von ihnen immer wieder zu erfahren: Wie bin ich? Bin ich okay? Bin ich gut genug, lieb genug, dass ich gemocht, geliebt werde?

Beinahe die gleichen Fragen stellen Chiron und Saturn in Haus 1. Chiron an dieser Stelle nährt in Heike eine tiefe Angst: Wenn sie wirklich Selbstvertrauen zeigt, wenn sie wirklich zu sich steht, zeigt, wie sie ist, was sie kann, dann taucht die Angst auf, von den Menschen, die ihr wichtig sind, nicht mehr gemocht, nicht mehr geliebt oder verletzt zu werden. Zusätzlich gibt ihr Saturn an dieser Stelle wenig stabiles Vertrauen in ihr Auftreten, in ihre eigene Wahrnehmung von der Welt und stets das nagende Gefühl, bei einem Neubeginn vielleicht nicht perfekt, nicht gut genug zu sein. Diese Gefühl „ich bin nicht richtig“ kennt Heike nach eigenen Aussagen seit ihrer Kindheit und fühlt sich dadurch „stark ausgebremst“ in ihren Aktivitäten. Mit Aszendent Fische und ihrer Waagebetonung war Heike ein angepasstes, pflegeleichtes Kind, das sich stets nach den Wünschen und Erwartungen der anderen richtete. Die unaspektierte Sonne im „Haus der Projektionen“ hat sie bis zum heutigen Tag eigentlich nur über Partner kennengelernt, nämlich dann, wenn diese ihre Erwartungen an Heike gerichtet und mehr oder weniger autoritär eingefordert hatten. Heikes Mond ist stark eingebunden in 9(!) Aspekte, sodass sie selber ihre unterschiedlichen Gefühle, Bedürfnisse und Befindlichkeiten oftmals nicht spürt oder nicht auseinanderhalten kann. Zwei Bedürfnisse aber sind ihr sehr bekannt, das Bedürfnis nach ganz engen, intensiven, intimen, beständigen Beziehungen und das genaue Gegenteil davon, der unbändige Wunsch frei und unabhängig zu sein (Pluto Konj. Uranus in Haus 7 im Trigon zu Mond). Ein Ähnliches signalisieren ihr Mond in Stier in Haus 2 und ihre Venus in Waage in Haus 7. Beim Mond verspürt sie etwas Besitzergreifendes, körperlich Spürbares und bei Venus ein eher distanziertes Interesse am Anderen, das aber trotzdem gerne im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen möchte durch das sehr genaue Sextil von Jupiter in Löwe in Haus 5.

Was mich nachdenklich gemacht hat, sind die beiden Yodfiguren (Saturn Sextil Mond, beide im Quinkunx zu Merkur und Merkur Sextil Mars, beide im Quinkunx zu Saturn). Sie geben mit dem absteigenden MK in Haus 8 in Skorpion, der unaspektierten Sonne und Lilith am AC doch schon mehrere Hinweise auf Sippen- bzw. Familienthemen.

Daraufhin angesprochen erzählte Heike, dass sie die erste Frau in der Familie sei, die lange Zeit in, wie sie es nannte, „unklaren Partnerschaften“ gelebt, spät geheiratet, eine Scheidung durchgestanden und sich erneut fest gebunden hat. Sie sei dadurch zum „bunten Vogel“ in der Familie geworden und fühle auch, dass sie in der Verwandtschaft deshalb abgewertet würde. Doch sie wolle sich nicht „einfach nur belügen und betrügen lassen und trotzdem in der Ehe ausharren“, wie die anderen Frauen im Familienverband, sondern sie würde „rechtzeitig“ gehen. Jetzt sei es wieder einmal so weit - ihr Partner würde sie überhaupt nicht mehr richtig wahrnehmen, wahrscheinlich sei er „anderweitig interessiert“.

Deutung Transite

07b-2011

Heike wird von zwei wesentlichen Transiten „heimgesucht“, Uranus steht in Opp. und Pluto im Qua. zu ihrer Radixsonne. Außerdem berührt Jupiter im Trig. ihre Radixvenus, und wirft ein Sextil zu sich selbst in Löwe in Haus 5. Zusätzlich bildet Lilith im Transit eine Konj. zu Heikes aufsteigenden MK.

In dieser Zeitqualität erlebt Heike eine starke innere Unruhe, ein Bedürfnis nach Befreiung (Uranus), nach einer grundlegenden, tiefen Veränderung (Pluto), die sie vor allem in Bezug auf ihren Partner (Sonne) wahrnimmt.

Durch die unaspektierte Sonne in Haus 7 ist es wahrscheinlich, dass Heike ihre eigenen Wünsche nach Befreiung und Veränderung auf den Partner projiziert und ihn als „anderweitig interessiert“ wahrnimmt.

Doch es sind ihre Sonne, ihr Wesen, ihre Vorstellung vom Partner, es sind ihre Ziele, die befreit, die verändert werden wollen. Jupiter sucht im Transit über Venus den Sinn in einer Beziehung, er intensiviert ihre Wünsche und Sehnsüchte an Liebe, Erotik und Freude, Herzlichkeit, aber auch - und das ist nicht zu vergessen - den Wunsch sich und seine Kreativität auf die Bühne zu bringen (Jupiter in Löwe in 5). Mit Venus in Haus 7 taucht für mich immer die Frage auf: Wie steht es mit der Beziehung zu sich selbst? Muss Heike vielleicht zuerst eine Beziehung zu sich selbst aufnehmen, bevor sie wieder aus einer partnerschaftlichen Beziehung flieht? Ist sie vielleicht viel zu sehr bei Partner und in der Reaktion auf sein Verhalten? Will sie den Partner verändern, statt sich selbst?

Untermauert wird meine These durch Lilith, die im Transit jetzt in Konj. zum Nordknoten und im gradgenauen Sextil zu sich selbst steht und in den nächsten 14 Tagen eine Konj. zum Radixmond bilden wird. Sie ruft Heike auf, einen eigenen Weg zu ihrer MK-Achse zu finden. Ihren Selbstwert in sich und ihren Fähigkeiten zu finden (Nordknoten in 2) und dadurch unabhängig vom Urteil und der Meinung Anderer (des Partners) zu werden (Südknoten in 8). Lilith fordert weiter auf, die eigenen Sehnsüchte, Bedürfnisse und Gefühle wahr- und ernst zu nehmen (Mond). Zu begreifen, dass in ihr die Sehnsucht wohnt nach einer intensiven Beziehung (Mond Tri. Pluto), in der sie aber trotzdem einen eigenständigen, individuellen Weg leben kann (Mond Tri. Uranus) - anders als in ihrer Familie bisher üblich.

Im weiteren Gespräch versuchen Heike und ich herauszufinden, was denn ihr eigener Weg sein könnte und wie sie zunächst ihre Bedürfnisse kennenlernen und später vielleicht auch beginnen könnte, sie umzusetzen. Weiter besprechen wir, dass die augenblicklichen Transite zwar ein großes Bedürfnis nach Befreiung auslösen würden, aber es nicht unbedingt die Befreiung vom Partner sein müsse.

Heike meinte am Ende der Beratung, sie müsse sich eigentlich „zu sich selbst hin befreien“ - besser kann es nicht ausgedrückt werden.

 

 

© Copyright Christl Oelmann

 

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