Logo

 

Übung

 

Fallbeispiel Januar 2012
von Christl Oelmann

01-2012

Tim ist im letzten Jahr mehrmals sehr betrunken nachhause gekommen und die Eltern haben den Verdacht, dass er auch Haschisch konsumiert. Voller Sorge fragen sie, ob ihr Sohn „jetzt drogenabhängig und kriminell wird“ und was die Ursache für sein Verhalten sein kann. Tim kommt (nicht ganz freiwillig) mit zur Beratung. Was würden Sie den Eltern und Tim sagen?

Was meinen Sie?

Deutungsvorschlag für
Fallbeispiel Januar 2012
von Christl Oelmann

Abkürzungen:
Konj. = Konjunktion
Opp. = Opposition
Qua. = Quadrat

Tim ist im letzten Jahr mehrmals sehr betrunken nachhause gekommen und die Eltern haben den Verdacht, dass er auch Haschisch konsumiert. Voller Sorge fragen sie, ob ihr Sohn „jetzt drogenabhängig und kriminell wird“ und was die Ursache für sein Verhalten sein kann. Tim kommt (nicht ganz freiwillig) mit zur Beratung. Was würden Sie den Eltern und Tim sagen?

Vor der Beratung: Es ist selbstverständlich, dass ich das Horoskop eines 17-jährigen nur in Gegenwart des Jugendlichen mit den Eltern bespreche.
Hier, in diesem konkreten Fall, kommt Tim vorher 1 Stunde allein zu mir.

Allerdings nur unter starkem Druck der Eltern, die, wie sich später herausstellte, ihm massiv mit Sanktionen gedroht hatten, falls er nicht erscheinen würde. Tim besucht ein Gymnasium.

Er hatte gerade Geburtstag, ist 17 Jahre alt geworden und steht mitten in der Pubertät. Auch wenn Jugendliche mit 17 den Führerschein machen dürfen, es jetzt zur Debatte steht, ob sie mit 16 vielleicht an bestimmten Wahlen teilnehmen können und sie ab 18 nominell erwachsen sind – im psychischen Bereich sind sie in diesem Alter noch pubertierend und daher heftigsten Schwankungen unterworfen. Dieses labile Alter, in dem die Jugendlichen massiven Fremdeinflüssen ausgesetzt sind, da sie das familiäre Wertesystem natürlicherweise infrage stellen, ist bei der Deutung des Horoskops und der Beantwortung der Frage stark zu beachten.

Tims Sonne, die in diesem Alter gerade „aufgegangen“ ist, steht im Zeichen Schütze, in Konj. mit Jupiter im eigenen Zeichen in Haus 11. Die Sonne (und in Aspektübertragung auch Jupiter) werfen ein Trigon zum Mond in Löwe, der in Haus 7 steht. Die Sonne läuft in einem Jugendlichenhoroskop „direkt in ihre Stärke hinein“, soll heißen, dass sowohl das Zeichen, als auch das Haus, in dem sie steht, deutlich zum Ausdruck kommen.

Mit Sonne und Jupiter in Haus 11 sind Gruppen und Gleichgesinnte, Gleichdenkende für Tim (zumindest in diesem Alter) viel wichtiger als Lernen (Haus 3), Familie (Haus 4), Schule (Haus 6, da es Tims Alltag ist) oder gar Weiterbildung oder die Suche nach einem Sinn (Haus 9). Tim sucht gleichsam Wahlverwandtschaften (Haus 11), um den schmerzhaften Prozess der Loslösung vom Elternhaus und der Individualisierung besser ertragen zu können. Da er mit Mond in Haus 7 sehr auf die Anderen, auf das Du ausgerichtet ist und mit Mond in Löwe unbedingt dazugehören, ja sogar gerne im Mittelpunkt der Anderen stehen möchte, ist vorstellbar, dass er sehr viel dafür tut, anerkannt zu werden, zumal Anerkennung mit der starken Steinbockbetonung ein „Lebenselixir“, vielleicht während der Pubertät ein „Überlebenselixir“ für ihn ist. Mit Sonne und Jupiter in Konj. in Schütze wird Tim sehr wahrscheinlich in der Pubertätphase Argumenten schlecht zugäglich sein, weiß er doch sowieso alles und das meiste besser. Sicher reguliert seine Steinbocktruppe mit Merkur, Venus, Mars und AC diese großspurigen Auswüchse, doch mit dem „Aufgehen“ der Sonne und der Herauslösung aus dem Wertesystem der Familie wird wohl zunächst das Zurückgenommene des Steinbocks verdrängt. Tim zeigt sich auch so in der Beratung, er argumentiert wie ein Weltmeister und weist großspurig alle Vorwürfe der Eltern zurück.

Nun ist die Sorge der Eltern nicht ganz unberechtigt, das volle Haus 12, Neptun am AC und im Qua. zum absteigenden Mondknoten, können auf eine Neigung zur Welt- und Problemflucht durch Alkohol oder Drogen hinweisen. Ebenfalls der absteigende Mondknoten in Widder, der aufzeigt, dass Tim Mut mitbringt, neues Terrain zu erkunden, eine große Freude an Abenteuer jeglicher Art hat und ihm spontane, kopflose Entscheidungen nicht fremd sind. Andererseits weist gerade die Steinbockbesetzung auf eine hohe Verantwortlichkeit auch sich selbst gegenüber hin und Saturn in Fische steht Drogen jeglicher Art zunächst sicher ablehnend gegenüber.

Es heißt ja allgemein in der Astrologie, dass Planeten in Haus 12 dem Eigner erst später zugänglich werden, doch habe ich die Erfahrung gemacht, dass Kinder und Jugendliche von diesen Energien gut geführt werden, meist halt eben unbewußt.

Ob Tim kriminell wird, ist aus dem Radixhoroskop natürlich nicht zu entnehmen. Um kriminell zu werden, bedarf es weitaus mehr als einer Anlage im Horoskop. Sozialisation, Erlebnisse, psychische Erfahrungen, und äußere Gegebenheiten sind in hohem Masse die Ursache von Kriminalität.

Das Entlangsegeln am Rande der Kriminalität ist im jugendlichen Alter allerdings häufig zu finden, dazu gehören oft auch solche „Mutproben“, die eindeutig in den Bereich der Kriminalität gehören. Hier ist Tim schon gefährdet, einmal durch den schon erwähnten absteigenden MK in Widder, der für jeden abenteuerlichen Blödsinn bereit ist und weiter durch seine Sehnsucht, zu Gruppen dazuzugehören, es ihnen gleich zu machen.

Allerdings ist zuviel Alkohol nicht kriminell und Haschischrauchen ist bis jetzt nur ein Verdacht der Eltern.

Von der Gesamtstruktur her hat Tim aber keine „kriminelle Energie“, wie sie manchmal im Radixhoroskop zu finden ist, allerdings zwei Komponenten, die für Verführbarkeit sprechen, Neptun am AC und Neptun im Qua zum absteigenden MK. Ich denke nur in Tims augenblicklichen Alter ist die Verführbarkeit durch Gruppen besonders hoch, im späteren Leben wird sowohl seine Steinbockprägung für Vernunft und Abgrenzung sorgen als auch seine Schützequalität, die sich wohl eher nur dann verführen lässt,wenn es ihm sinnvoll und erstrebenswert erscheint.

Saturn in Fische regt noch zur Überlegung an, denn es ist möglich, dass Tim sich augenblicklich in der eher zwanghaften Phase des Saturn (Kompensation) befindet, in der Alkohol oder Drogenerfahrung „um jeden Preis“ angesagt sind. Dies bestätigt Tim, indem er sagt, dass Bier oder andere Alkoholika ihm eigentlich gar nicht schmecken und ihn die Auswirkungen eher abstossen, sowohl bei Anderen als auch bei sich selber.

Aber wenn alle trinken…

Von der Zeitqualität der Transite her bildet eben dieser Saturn ein Qua zu Tims AC, dessen Herrscher er auch ist und zeigt deutlich Tims Verhalten, mit diesen Energien nach Außen zu gehen. Ich bin der Meinung, dass dieses Quadrat ihm aber auch die Stabilität gab und gibt, nicht ganz „abzustürzen“.

Gleichzeitig pendelt Pluto im Transit über Tims Mars hin und her. Mars ist unaspektiert, und bekommt durch Pluto jetzt einen ungeheueren Impuls, der sicher zu Tims allgemeiner Verunsicherung das Seine beitragen wird, denn Tim wird diese Kraft und den Drang mal deutlich spüren, mal wieder nicht. Tim spürt auch die Lust, es „endlich mal krachen zu lassen“ und es den Anderen „zu zeigen“. Auf Nachfrage von mir schildert er, dass er sich selbst in der letzten Zeit als gewaltbereit empfindet, er kann sich auch vorstellen „mal zuzuhauen“. Das erschreckt ihn einerseits, andererseits fühlt er sich dann „richtig stark“. Aber kann nicht so ganz auf diese Stärke bauen, sondern fühlt sich manchmal von seiner Kraft im Stich gelassen, wie er es ausdrückt (Mars unaspektiert).

Uranus und Neptun im Transit bilden ein Qua bzw. ein Sextil zu seinem Merkur. Sie lassen sowohl die Sehnsucht nach Dazugehörigkeit und die Sehnsucht nach einer „besseren Welt“ (Neptun) als auch die Flausen in seinem Kopf (Uranus) wachsen.

Zusammenfassend habe ich Tim und seine Eltern darauf aufmerksam gemacht, dass eine Fluchttendenz in seinem Strickmuster zu finden ist, die Tim in fordernden Situationen durchaus in Süchte aller Art, nicht nur Alkohol oder Drogen locken kann. Dass er aber ebenso eine starke Truppe sein Eigen nennt, die ihn in der Verantwortung sich selbst und anderen gegenüber hält und die absolut sinnhaftes Verhalten von ihm fordert.

Dass sein augenblickliches Verhalten stark im Zusammenhang mit der Ablösung aus dem Elternhaus steht, sowohl er als auch seine Eltern aber nicht aus den Augen verlieren dürfen, in welchen Gruppen sich Tim befindet. Ich habe mit ihm ausführlich seine Häuser 11 und 7 besprochen. Dass er eigentlich gerne sich mit Menschen umgibt, die ihn weiterbringen, mit denen er Sinnvolles erleben kann, bei denen er durch sein Wissen und seine Bildung glänzen kann (11. Haus Schütze mit Sonne und Jupiter in Schütze). Dass er aber auch ein tiefes Bedürfnis nach dem Du in sich spürt, das ihn leicht verleitet, dazugehören zu wollen.

Tim bestätigte auch seinen Eltern gegenüber, dass ihm deren „Wohlverhalten der Obrigkeit gegenüber, sowas von nerve“ (O-Ton Tim) und er daher die Gruppe, in der er sich befinde, als „seine eigentliche Heimat“ empfinden würde. Interessanterweise ist er davon überzeugt, dass er die anderen mit der Zeit überzeugen könne, weniger Alkohol zu trinken und daher für die Gruppe gewinnbringend sei (Schütze in Haus 11 grüßt…).

Über mein Gespräch mit Tim allein möchte ich nicht berichten.

 

© Copyright Christl Oelmann

 

das kind